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Rezension Heft 2 Jahrgang 2015Kißgen, R. & Heinen, N. (Hrsg.) (2014). Trennung, Tod und Trauer in den ersten Lebensjahren. Stuttgart: Klett Cotta, 247 Seiten, 37,95 Euro Der dritte Band der interdisziplinären Tagungsreihe Forum Frühe Kindheit widmet sich einem Thema, das auf den ersten Blick ein gleichwohl schweres wie auch hochrelevantes Thema für eine differenzierte fachliche Auseinandersetzung mit der frühen Kindheit darstellt. Es folgt auf zwei inzwischen als Standardwerke zu bezeichnende Aufsatzsammlungen zu den Themen Frühe Risiken – Frühe Hilfen sowie Familiäre Belastungen in früher Kindheit und bereichert den aktuellen Fachdiskurs mit Beiträgen aus sehr vielfältigen Perspektiven. Den Initiatoren des Forums Frühe Kindheit, Rüdiger Kißgen und Norbert Heinen, gelingt es ein weiteres Mal, zentrale Fragestellungen von hochkarätigen Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen fundiert beleuchten zu lassen. Herausgekommen sind dabei 13 spannende Beiträge, die ein weites Spektrum an Themenschwerpunkten behandeln. Entsprechend der Vielfalt der Themen richtet sich der Tagungsband an ein breites Publikum, vor allem an Fachleute und Auszubildende aus den Bereichen der Medizin, Psychologie, Heilpädagogik, Familienbegleitung und Sozialarbeit. Der überwiegend sehr gut zugängliche Schreibstil der Artikel bildet die Basis für eine gute Lesbarkeit, der klar strukturierte Aufbau erleichtert zudem ein selektives Lesen ausgewählter Fachbeiträge. So ist das Buch in sieben Schwerpunktthemen unterteilt, zu denen ein einleitender Artikel jeweils aktuelle wissenschaftliche Grundlagen bzw. den Forschungsstand fokussiert, dem überwiegend ein zweiter Artikel folgt, der den Praxistransfer anhand von Beispielen in den Vordergrund stellt. Den Einstieg in die Fachbeiträge bildet der Themenblock von Schiefenhövel, Schrot und Kröning Trennung, Tod und Trauer in den ersten Lebensjahren aus der Perspektive der Humanethologie und der Bindungstheorie. Zunächst wird in diesem Rahmen der menschliche Trauerprozess aus der verhaltensbiologischen, primär evolutionären Sicht auf seine Bedeutung hin betrachtet. Im Anschluss folgt ein Beitrag des renommierten Bindungsforschungspaares Klaus und Karin Grossmann. Sie befassen sich mit dem Prozess kindlicher Trauer und beschreiben sowohl physiologische als auch emotionale Reaktionen in der Phase der frühen Kindheit. Der zweite Themenblock mit dem Titel Der frühe Verlust eines Kindes nimmt einen Perspektivenwechsel in Richtung der Eltern und Familien vor. Angela Kribs befasst sich mit dem hochsensiblen Thema des Verlusterlebens beim Tod des eigenen Kindes im frühen Alter. Psychodynamische Prozesse und Folgen für das familiäre Leben werden dabei berücksichtigt. Die professionelle Begleitung von Familien nach dem Verlust eines Kindes bildet den Schwerpunkt des anschließenden praxisbezogenen Beitrags (Autoren: Zöllner und Reichert). Im Themenblock Kinderhospizarbeit wird in einem ersten Schritt die Auseinandersetzung mit der Diagnose einer lebensverkürzenden Erkrankung eines Kindes fokussiert. Historische Entwicklungen, empirische Erkenntnisse und aktuelle Konzepte der Hospizarbeit stehen im Vordergrund des Aufsatzes von Sven Jennessen, dem konkrete Erfahrungen aus der praktischen Arbeit des Kinderhospizes Regenbogenland in Düsseldorf folgen (Autor: van Dijk) Der vierte Themenblock widmet sich der Situation von Jungen Waisenkindern. In einem historisch ausgerichteten Artikel referiert Claudia Kittel über die Entwicklung der Heimerziehung im Deutschland der Nachkriegszeit. Die in den letzten Jahren verstärkt erfolgende Aufarbeitung historischer Missstände sowie die sich daraus ergebenden Konsequenzen für Politik und Gesellschaft erhalten in diesem Kontext eine hohe Bedeutung. Einen direkten Praxisbezug stellt Gertrude Bogyi in ihrem anschließenden Beitrag zur psychotherapeutischen Begleitung junger Waisenkinder her. Dem Thema Trennung und Scheidung in den ersten Lebensjahren nähern sich in einem ersten Artikel Sabine Walper und Alexandra Langmeyer anhand der Analyse des aktuellen Forschungsstandes zur Situation von Trennungs- und Scheidungskindern. Die Betrachtung möglicher Risikofaktoren bildet dabei einen inhaltlichen Schwerpunkt. Ausgehend von den dargestellten Erkenntnissen beschreibt der Folgeaufsatz entwicklungsunterstützende Konzepte der Begleitung von getrennt lebenden Eltern junger Kinder im Rahmen der Erziehungsberatung und sozialen Arbeit (Autor: Loschky). Die Begleitung und Erziehung von jungen Kindern außerhalb der leiblichen Familie aufgrund von Kindeswohlgefährdungen oder familiären Überforderungen bilden den Inhalt des sechsten Themenblocks mit dem Titel Junge Kinder in Pflegefamilien. Nach einer Darstellung und Diskussion der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie des aktuellen Forschungsstandes (Wolf) wird von Irmela Wiemann die Betreuungspraxis von Pflegefamilien mit jungen Kindern beleuchtet. Im Vordergrund steht dabei die Perspektive des Kindes. Folgen des Aufwachsens in einem neuen familiären Umfeld auf die Identitätsentwicklung des Kindes sowie entstehende Ambivalenzen in der Gestaltung der Beziehung zu den leiblichen Eltern werden differenziert betrachtet. Den Abschluss der vielfältigen Zusammenstellung fachlicher Beiträge bildet ein Aufsatz von Reinhard Prenzlow zur Inobhutnahme junger Kinder aus der Perspektive des Verfahrensbeistandes. Als Interessenvertretung für das Kind kommt dem Verfahrensbeistand die herausfordernde Aufgabe zu, auf der Basis familienrechtlicher Rahmenbedingungen individuelle Wege zu finden, die den Interessen und Bedürfnissen der beteiligten Personen so weit wie möglich gerecht werden. Dieses Spannungsfeld wird u.a. anhand eines Fallbeispiels eindrücklich erläutert. Zusammenfassend lässt sich der vorliegende Tagungsband Trennung, Tod und Trauer in den ersten Lebensjahren als eine sehr gute Grundlage für eine intensive Auseinandersetzung mit der komplexen Thematik des auf unterschiedlichen Ebenen erfolgenden Verlusterlebens in der frühen Kindheit und seiner Folgen bezeichnen. Er bietet sowohl eine wissenschaftlich fundierte Wissensbasis hinsichtlich des aktuellen Forschungsstandes als auch eine gut zugängliche Vermittlung bewährter Konzepte und Handlungsansätze, die eine unmittelbare Praxisnähe aufweisen. Andreas Eckert, Zürich
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aktualisiert am 01.06.2015 |