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Rezension Heft 4 Jahrgang 2014Lauth, G.W., Grünke, M., Brunstein, J.C. (Hrsg.) (2014). Interventionen bei Lernstörungen. Förderung, Training und Therapie in der Praxis. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Göttingen: Hogrefe, 575 Seiten, € 49,95, als E-Book € 42,99. Nach zehn Jahren erschien nun die 2. überarbeitete und erweiterte Auflage des Standardwerkes Interventionen bei Lernstörungen. Im Gegensatz zur 1. Auflage aus 2004 mit einem Umfang von 475 Seiten ist diese zweite Auflage um ca. 100 Seiten umfänglicher geworden. Sie wurde inhaltlich überarbeitet und ergänzt, es wurden vier weitere Beiträge – nun sind es 45 – aufgenommen. Bereits im Vorwort wurde kritisch angemerkt, dass Lernschwächen immer noch zu oft schicksalhaft hingenommen und eher ‚verwaltet‘ werden. Die Folge sind nicht hinreichend geförderte Schüler ohne Abschluss. Um dem entgegenzuwirken werden effektive Methoden benötigt. Dazu will das Werk einen entsprechenden Beitrag leisten, was als absolut gelungen bezeichnet werden kann. Das vorliegende Werk ist in dieser Form auf dem deutschen Buchmarkt zu dieser Thematik etwas ganz Besonderes. Im Mittelpunkt stehen nämlich Interventionen für Kinder und Jugendlichen mit einem Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen. Im Einzelnen werden Schwerpunkte berücksichtigt, die für die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten grundlegend sind: Aufmerksamkeit und Konzentration (Lauth), Metakognition (Guldimann & Lauth), Gedächtnisprozesse (Büttner & Mähler), begrifflich kategoriale Verarbeitung (Grünke & Stemmler), Förderung des induktiven Denkens (Klauer), phonologische Bewusstheit (Schneider & Küspert), Förderung bei visuell-räumlicher Wahrnehmungs- und Konstruktionsstörung (Jacobs & Petermann), Förderung von Zahlverständnis (Krajewski), Vermittlung von Basiskompetenzen im Rechnen (Wilbert), Selbstinstruktion (Lauth), Selbstattribution (Grünke & Castello), Vermittlung von Lernstrategien und selbstreguliertem Lernen(Lauth, Grünke & Brunstein), Fremdattribution (Grünke & Castello), Kontingenzmanagement (Hillebrandt), tutorielles Lernen (Haag), Motivierung durch operante Verstärker (Linderkamp), PC-gestützte Übungsprogramme (Kullik), Üben mit der Wortkartei (Labas & Bederski), Lesen und Schreiben (Klicpera & Gasteiger-Klicpera), Aufbau von Lesefertigkeiten (Spörer, Demrich & Brunstein) Förderung von Leseverständnis durch ‚reziprokes Lehren‘ und Förderung der Schreibkompetenz (Glaser), Aufbau von Rechtschreibkenntnissen (Greisbach). Im Blick auf den Unterricht gibt es die Kapitel Förderung von Unterrichtsbeteiligung (Hartke & Borchert), die Förderung von Interessen (Schiefele), die Förderung regelkonformen Verhaltens im Unterricht (Julius) sowie Gestaltung von Förderunterricht (Matthes). Als besonders effektive Lehrmethode wird die direkte Instruktion vorgestellt (Lebens & Lauth). Des Weiteren finden sich Schwerpunkte wie die Reduktion von Komplexität zur Ermöglichung von Lernfortschritten (Lauth & Brack). Eingegangen wird auch auf die Anleitung von Eltern und Erziehern zur Hausaufgabenbetreuung (Bellingrath & Naumann). Dazu finden sich zwei weitere Beiträge im Anhang: A „Leitfaden ‚Verhaltensanalytisches Interview bei Lernstörungen‘ zur Durchführung mit den Eltern bzw. Lehrerinnen und Lehrern“, sowie B ‚Beobachtung des Lernverhaltens in einer Hausaufgabensituation‘. Die Frühförderung von Lernstörungen (Jungmann) findet ebenso Berücksichtigung wie die Übergänge Kindergarten–Schule (Beelmann) und Schule–Beruf (Stein). Als Hilfe für die Strukturierung von Förderkonzepten im Schulbereich im Sinne des Response-to-Intervention-Ansatzes kann der Beitrag von Ennemoser genutzt werden. Formal ist hervorzuheben, dass durch Querverweise Bezüge zu den einzelnen Kapiteln hergestellt werden. Da es nicht leicht ist, die Interventionen schwerpunktmäßig zuzuordnen – siehe dazu die Buchgliederung –, findet sich eine entsprechende Übersicht auf den Seiten 108f. Die Bedeutung förderpädagogischer Kompetenz im Rahmen inklusiver Förderung ist den Autoren des vorliegenden Werkes auch ein wichtiges Anliegen, wie sie bereits im Vorwort anmerken, sie gehen aber nicht besonders darauf ein. Vermutlich gehen sie davon aus, dass die in diesem Buch dargestellten Methoden für die inklusive Beschulung ebenfalls anwendbar sind. Dies ist nachvollziehbar, denn Kinder/Jugendliche z.B. mit nicht hinreichenden bzw. fehlenden Grundfertigkeiten der metakognitiven Strukturierung bzw. mit besonderen Problemen in den Kulturtechniken werden in der inklusiven Beschulung nicht einfach durch den in der Praxis vielfach propagierten ‚Mitzieheffekt‘ zu Lernfortschritte kommen, sondern durch Methoden, wie sie in diesem Buch beispielhaft dargestellt sind. Es geht den Autoren aber nicht nur um die Darstellung effektiver Interventionen, sondern auch um deren Verankerung. Im Teil 1 werden in Anlehnung an die ICD10 Arten, Klassifikation und Entstehungsbedingungen geklärt und es wird dabei zwischen Lernschwäche und Lernbehinderung unterschieden. Die Kapitel des Buches, bei denen es um die Darstellung spezieller Interventionen geht, sind stets – so wie man es auch von psychologischen oder medizinischen Standardwerken gewohnt ist – nach einem gleichbleibenden Muster erstellt. Begonnen wird jeweils mit einem Fallbeispiel, es folgen Definition und Störungen (mit Zuordnung zur ICD10), Prävalenz und Altersverteilung, und anschließend Interventionen und deren Wirksamkeit. Empirisch abgesicherte Diagnostik und effektive Interventionen werden interdependent dargestellt. Da die Einzelbeiträge meist ca. 10 Seiten umfassen und wesentliche Vorgehensweisen nochmals extra strukturiert zusammenfasst dargestellt werden, lesen sich die Beiträge sehr gut und man gewinnt in kurzer Zeit einen schnellen Überblick über die jeweilige Methode. Die Literaturhinweise sind auf das Wesentliche beschränkt, es erfolgen Angaben zu grundlegender und weiterführender Literatur und einschlägigen Materialien. Der Leserschaft bleibt es damit erspart, anderswo Literaturhinweise mühsam zusammen zu suchen. Vielleicht wäre für eine weitere Auflage die Systematik, wie sie sich in der Buchgliederung darstellt, ein wenig zu überdenken. Die 45 Beiträge könnten inhaltlich systematischer angeordnet werden, z.B. folgt erst in Kapitel 32 ein Beitrag zur Wortkartei, während die Bereiche Lesen, Rechtschreiben etc. bereits früher abgehandelt wurden. Im Anhang findet sich schließlich eine Übersicht über geeignete Schulleistungstests, die sicherlich hilfreich ist. Allerdings hätte man sie im Blick auf die Lernfortschrittsmessung um weitere, aktuell in Deutschland verbreitete Verfahren ergänzen können, wie das elektronische Verfahren Quop, die Verlaufsdiagnostik sinnerfassenden Lesens VSL (Walter) und die Lernverlaufsdiagnostik Mathematik, Kl.2–4: LVD-M, 2–4 (Strathmann & Klauer). Zwar gibt es am Ende des Buches ein Stichwortverzeichnis, ein Autoren- und Sachregister könnten allerdings beim schnellen Nachschlagen helfen. Das vorliegende Werk erfüllt eindeutig die durch den Titel ‚Interventionen bei Lernstörungen‘ geweckten Erwartungen. Die zu Beginn vorgenommene Abgrenzung von Lernstörungen, Lernbehinderung und Lernschwächen bei Entwicklungsstörungen ist notwendig. Die Texte lassen sich insgesamt sehr gut lesen. Besonders hilfreich sind die innerhalb der Kapitel vorgenommen tabellarischen Zusammenfassungen wesentlicher Inhalte, z.B. methodischer Vorgehensweisen. Die einzelnen Kapitel sind in sich klar gegliedert und durch die Querverweise lassen sich schnell affine Inhalte finden und zuordnen. Manche Beiträge wirken redundant, z.B. Motivierung durch operante Verstärker (Linderkamp) und später: Lernerfolg belohnen: Kontingenzmanagement (Hillebrandt). Insgesamt handelt es sich bei dem vorliegendem Buch um ein wichtiges Standardwerk, das ausnahmslos für alle Interessierten wie Studierende, Lehrkräfte, Lerntherapeuten, interessierte Eltern, aber auch Dozenten sehr empfohlen werden kann. Die Beiträge sind aktuell, übersichtlich und vor allem evidenzbasiert. Das Buch sollte in keiner Hochschul- und Schulbibliothek sowie in keiner lerntherapeutischen Praxis fehlen. Das Werk eignet sich auch als Grundlagenwerk für die Fort- und Weiterbildung. Gerade für die schulische Inklusion wird für den leider oft unterschätzten Förderschwerpunkt Lernen eine Fülle von Basisinformationen, Interventionsangeboten und Denkanregungen gegeben. Alfons Strathmann, Köln
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aktualisiert am 11.03.2015 |