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Rezension Heft 2 Jahrgang 2011Von Gontard, Alexander (2007). Theorie und Praxis der Sandspieltherapie – Ein Handbuch aus kinderpsychiatrischer und analytischer Sicht. Stuttgart: Kohlhammer-Verlag. 267 Seiten, kart., € 49,90. Dem Rezensenten ist aus mehreren Gründen daran gelegen, dieses Buch der Leserschaft der Heilpädagogischen Forschung vorzustellen. Der Sandkasten gehört nämlich einerseits zum Ausstattungsrepertoire vieler Eingangsklassen, ohne dass immer ein solides Wissen vorliegt, was sich mit diesem Inventar anfangen lässt. Kollegen, die bereits den Sandkasten in ihre Arbeit vornehmlich mit Erziehungshilfeschülern einsetzen, sind mitunter zurückhaltend, wie mit den Sandbildern der Schüler umzugehen ist. Hier kann das – leider nicht sehr preiswerte – Buch von Alexander von Gontard eine große Hilfe sein. Äußerlich her ist das Buch klar in sieben Teile gegliedert und startet inhaltlich mit der Sandspieltherapie im Kontext anderer Formen der Spieltherapie. Hier im Kapitel 2 finden sich einige allgemeine Basisinformationen zur Spieltherapie sowie spezifische Informationen zur Personenzentrierten Spieltherapie, Kinderanalyse, Individualpsychologie, Tiefenpsychologie, Gestalttherapie, Verhaltenstherapie, Familientherapie, Filialtherapie und Entwicklungstherapie (Theraplay). Der Vorzug dieses umfänglichen Kapitels ist, dass die Leserschaft hier einen Überblick über die aktuellen Kindertherapierichtungen erhält, wie er in anderen Lehrbüchern kaum geleistet wird, wenn auch manches – angesichts des zur Verfügung stehenden Druckraums – verkürzt zur Darstellung kommen muss. Problematisch erscheinen die Bewertungen komplexer Therapieschulen („berücksichtigt nur bewusste Aspekte, … wird nicht ausreichen, … Konstrukte sind wenig differenziert und … dürften nicht ausreichen, … ist ausdrücklich zu begrüßen …“), die der Autor immer wieder einfließen lässt. Die Sandspieltherapie findet in diesem Kapitel allerdings nur marginale Erwähnung. Kapitel 3 ist mit „Unterschiedliche Zugänge zur Sandspieltherapie“ tituliert. An erster Stelle finden sich Ausführungen zu zwei wissenschaftstheoretischen Zugängen, die mancher Leser in einem Lehrbuch über Sandspieltherapie nicht erwartet, nämlich: die kausalwissenschaftliche Analyse und der sinnerschließend-hermeneutische Zugang. Für jemand, der mit Wissenschaftsmethoden nicht vertraut ist, erschließen sich damit vielleicht Hintergründe für die Auswertung und Interpretation von Sandbildern, aber für Fachleute zeigt sich hier eine eher reduzierte Sichtweise moderner Wissenschaftstheorien. Die spannende Frage, wie die beiden Zugänge aufeinander bezogen werden können, bleibt nach Ansicht des Autoren jedem selbst überlassen (S. 53: „Beide sind notwendig, auf keine kann verzichtet werden.“), eine Integration auf theoretischer Ebene findet also nicht statt. Zur empirischen Therapieforschung gibt es in diesem Kapitel lesenswerte Informationen (Anmerkung: Inzwischen gibt es auch noch weitere Metaanalysen), allerdings geht der Bezug zur Sandspieltherapie hier verloren, weil es anscheinend dazu kaum empirisches Material gibt. Das Kapitel wird mit einem Kasten mit 24 Argumenten für die Sandspieltherapie abgeschlossen, es handelt sich um gewichtige Argumente, die vielleicht auch Skeptikern zu denken geben können. Allerdings hätte man diesen Kasten an anderer Stelle erwartet, er erscheint hier ein wenig fehlplatziert. Im 4. Kapitel geht es hinsichtlich „Sandspieltherapie – theoretischer Hintergrund“ zunächst um eine dreiseitige Aufarbeitung der Geschichte des Verfahrens, dann um die äußere Gestaltung von Sandkästen incl. Miniaturfiguren und um den Ablauf einer Sandspielstunde. Diese Informationen sind für angehende Sandspieltherapeuten von praktischer Bedeutung. Merkwürdigerweise schließt sich unvermittelt dann ein hier aus dem Rahmen fallender Literaturüberblick über die Konkurrenzwerke über sieben Textseiten an, der besser am Schluss platziert gewesen wäre. (Vermisst wird ein Hinweis auf die amerikanische Expertin Gisela De Domenico.) Ein Unterkapitel befasst sich mit der Symbolik, einem zentralen Aspekt jeder Sandkastenarbeit. Nach einer Symbol-Definition (als einem sichtbaren Zeichen aus einer unsichtbaren Welt, das Unbewusstes mit Bewusstem verbindet und überdeterminiert ist) gibt es nützliche Hinweise auf Symbolbücher für Erwachsene und für Kinder sowie Symboldeutungen für Einzelsymbole wie Pflanzen, Bäume, Wald, Wasser, Berge, Tiere (v.a. Vögel). Es schließen sich Ausführungen zur Tiefenpsychologie C. G. Jungs sowie zu spirituellen Traditionen auf elf Textseiten an, alles nicht uninteressant und lesenswert, jedoch geht für den Anfänger ein wenig der Bezug zum Sandspiel verloren. Mit dem 5. Kapitel wird nun die „Praxis der Sandspieltherapie“ erreicht, eingeleitet mit Ausführungen zur kinderpsychiatrischen Diagnostik mit Hinweisen auf Anamnese, CBCL, TRF, ICD 10, DSM IV und differentielle Therapieindikation. Es gibt nur sehr indirekte Bezüge zur Sandspieltherapie, danach „… liefern Sandbilder immer auch diagnostische Hinweise“ (S. 138), ein wichtiger Aspekt, der jedoch nicht weiter ausgeführt wird. Von zentraler Bedeutung ist das nun folgende Unterkapitel zu den Sandspieldeutungsmöglichkeiten: zuerst Interpretationen gemäß einer raumsymbolischen Quadrantenaufteilung des Sandbildes, dann formale und inhaltliche Interpretationen. Fotodarstellungen realer Sandbilder verdeutlichen an dieser Stelle sehr eindringlich Interpretationsgesichtspunkte. Die sich anschließende Darstellung des therapeutischen Vorgehens betrifft Therapieindikation und Probestunden, Beginn, Verlauf, Schutz und Abschluss. Bezogen auf Prozessverläufe sind in der Literatur unterschiedliche Varianten auffindbar (z.B. Eingangs-, Arbeits- Ausgangsphase), die allerdings empirisch bisher nicht fundiert sind. Das 6. umfängliche Kapitel ist der Sandkastenarbeit bei ausgewählten Störungsbildern mit Hilfe ausführlicher Falldarstellungen gewidmet: ADHS, soziale Zurückgezogenheit, Depression, funktionale und organische Harninkontinenz, Essstörung. Die Abschnitte folgen diesem Schema: Charakteristik des jeweiligen Kindes, Vorstellungsanlass, Anamnese, Diagnostik, therapeutisches Vorgehen, Sandspieltherapie. Über Initialbilder zu Bildern aus weiteren Sitzungen bis zum Abschlussbild werden die Prozesse berichtet und teilweise mit gut erkennbaren Schwarz-Weiß-Fotos demonstriert. Es folgen jeweils klinische Charakterisierungen des jeweiligen Störungsbildes. Dieses Kapitel stellt sozusagen den Kern der Ausführungen dar, die Leserschaft wird hier an die eigentliche therapeutische Arbeit mit Sandbildern herangeführt. Allerdings erscheinen manche Interpretationen nicht ohne weiteres nachvollziehbar, sie scheinen aus der intuitiven Fachpraxis des Autors zu stammen. Hier wird sich mancher Leser vielleicht mehr Erklärungen dafür wünschen, warum man zu dieser und keiner anderen Interpretation eines Sandbildes gefunden hat. Im Anhang befindet sich ein sehr nützlicher verkürzter Erhebungsbogen für Sandspielstunden, der aus einem Projekt des Autors hervorgegangen ist. Im Literaturverzeichnis finden sich nicht alle Autoren, die in Kapitel 4 aufgeführt sind, wie M. Lowenfeld, H. G. Wells, G. v. Staabs, Charlotte Bühler, Eric Erikson (im Text S. 69 unrichtigerweise als Erickson), Hedda Bolgar und Lieselotte Fischer. Das auf zentrale Begrifflichkeiten verweisende „Stichwortverzeichnis“ wäre zutreffender mit „Namens- und Stichwortverzeichnis“ tituliert gewesen. Insgesamt handelt es sich um ein Werk, das auf dem deutschen Buchmarkt seiner Aktualität wegen einmalig ist. Die Leserschaft erfährt nützliche Informationen zur Sandspieltherapie. Allerdings wird einem die Lektüre nicht immer leicht gemacht, da zentrale neben marginalen Inhalten stehen und man sich erst einen Weg zu den wirklich interessanten Teilen suchen muss. Trotz mancher Einschränkungen erhält das Werk das Prädikat „empfehlenswert“. Herbert Goetze
Mit dem Buch von Annette Boeger liegt ein handfestes Kompendium der vier gängigsten Therapie- und Beratungskonzepte vor. Vorgestellt werden die „vier Säulen“ psychoanalytische, klientenzentrierte, systemische und verhaltenstherapeutische Ansätze. Das Buch ist logisch-linear aufgebaut und folgt im Prinzip einem klaren Gliederungsschema. So wird zu Beginn des 2. Kapitels zunächst Sigmund Freud mit wichtigen biografischen Daten samt Foto vorgestellt und grundlegende Aussagen zum psychoanalytischen (eigentlich negativen) Menschenbild werden aufgeführt. Im nächsten Unterkapitel wird „die Theorie“ aufbereitet mit den obligatorischen Versatzstücken topographisches Modell, Strukturmodell, Abwehrmechanismen, Träume/ Fehlleistungen, gefolgt von Ausführungen zur Neurosenlehre und psychoanalytischen Entwicklungslehre mit den berühmten psychosexuellen Phasen. Wer sich bereits ein wenig mit dem Freudschen Ansatz auskennt, wird diese Ausführungen trotzdem mit Gewinn lesen, weil es der Autorin gelingt, Freuds Vorstellungen plastisch und an Beispielen konkretisiert lebendig werden zu lassen. Das nächste Kapitel fragt danach, wie die psychoanalytische Beratung/ Therapie aussieht. Hier werden die markanten Versatzstücke Widerstand, Übertragung, Gegenübertragung, Therapeutenbeziehung abgehandelt, gefolgt von den Techniken des Deutens, Konfrontierens und Durcharbeitens. Weiterhin werden Klientenvariablen, Diagnostik, Therapieende und schließlich Weiterentwicklungen tangiert. In Kapitel 3 wird der klientenzentrierte Ansatz formal in analoger Weise bearbeitet (auf 33 Textseiten): Zunächst wird die Person Carl Rogers, anschließend das humanistische (positive) Menschenbild vorgestellt. Die wichtigsten Termini des theoretischen Ansatzes werden geklärt: Aktualisierungstendenz, Selbstaktualisierung, Inkongruenz, die „fully functioning person“. Die klientenzentrierte Therapie wird mit Hilfe der drei sog. Rogers-Basisvariablen charakterisiert: unbedingte Wertschätzung (positive Zuwendung, bedingungsfreies Akzeptieren), Empathie, Echtheit/ Selbstkongruenz der Beraterperson. Weiterhin gibt es in diesem Kapitel lesenswerte Ausführungen zum komplizierten Beziehungsaspekt, zur Selbstexploration des Klienten und zur Diagnostik, ein Fallbeispiel eines klientenzentrierten Therapiegesprächsausschnittes ist dabei eingearbeitet. Erfreulicherweise ist auf Textseite 97 der Hinweis zu finden, dass die Gesprächstherapie in europäischen Ländern ein von den Krankenkassen anerkanntes Psychotherapieverfahren darstellt – mit Ausnahme unseres Landes, wo skandalöserweise der Gesprächstherapie die Zulassung von den gegnerischen Interessevertretern verwehrt wird, woran sich auch in Zukunft vermutlich leider nichts ändern wird – die Autorin ist an dieser Stelle zu optimistisch. Das 4. umfänglichere Kapitel zum systemischen Ansatz kann zu Beginn nicht mit der Vorstellung einer Gründerpersönlichkeit aufwarten, denn die unterschiedlichsten Autoren haben hier Einfluss genommen. Entsprechend kurz ist dann auch die Charakterisierung des systemischen Menschenbildes ausgefallen. Welche unterschiedlichen theoretischen Strömungen in den systemischen Ansatz Eingang gefunden haben, wird am darauf folgenden Kapitel zur Theorie und zur Störungslehre deutlich: allgemeine Systemtheorie, Kommunikationstheorie von Paul Watzlawick, Konstruktivismus, Modelle von Schulz von Thun, Richter, Stierlin, Willi. Die Ausführungen zur Therapie/ Beratung zeigen die unterschiedlichsten therapeutischen Techniken und Interventionen auf, gefolgt von den Aspekten Allparteilichkeit, Widerstand, Diagnostik, Genogramm und Therapieende. Ein gesondertes Unterkapitel befasst sich mit der sog. Lösungsorientierten Beratung. Der Unterschied zu den drei anderen Therapiesäulen wird mit Begriffen und Techniken wie Kollusion, zirkuläres bzw. triadisches Fragen, Genogramm, paradoxe Verschreibungen, Allparteilichkeit, oder Joining deutlich, es handelt sich um Begrifflichkeiten, die in anderen Konzepten nicht auftauchen. Das letzte 5. Kapitel ist dem verhaltenstherapeutischen Ansatz gewidmet
und startet wiederum mit biografischen Angaben zu den lerntheoretischen
Gründungsvätern B. F. Skinner, Pawlow, Watson, Bandura.
Das (sozialwissenschaftliche und damit vergleichsweise positivere) Menschenbild
wird auf mehreren Textseiten gekennzeichnet, bevor die wichtigsten Paradigmen
dargelegt werden: klassisches und operantes Konditionieren, das (verbindende)
Zwei-Faktorenmodell, die soziale Lerntheorie und schließlich die
kognitive Verhaltenstherapie mit den Vertretern Aaron Beck, Albert Ellis,
Martin Seligman, Arnold Lazarus, Donald Meichenbaum und Frederick Kanfer
mit ihren spezifischen Ansätzen. Zur verhaltenstherapeutischen Beratung/ Therapie
werden die wichtigsten Techniken sehr knapp aufgeführt: Verhaltensdiagnostik,
systematische Desensibilisierung, Verstärkung, Tokensysteme, Selbstsicherheitstraining,
kognitive Umstrukturierung. Weiterhin wird einiges zur Aufnahmediagnostik,
zum Beziehungsaspekt, zum Setting und zu Weiterentwicklungen ausgesagt. Der Beratungskontext mit Kindern wird kaum berücksichtigt ist. Lediglich mit wenigen Zeilen wird auf psychoanalytische, personzentrierte, verhaltenstherapeutische Kindertherapien hingewiesen, obwohl viele Beratungsanlässe aus einem Erziehungskontext heraus entstehen. Als klientenzentrierte Therapie hätte die Filialtherapie vielleicht einer Erwähnung bedurft, weil sie eine spezifische klientenzentrierte Intervention mit ratsuchenden Eltern darstellt. Kritisch könnte man auch die Verquickung von „Beratung/ Therapie“ – in dieser Schreibweise auch im Text vorfindbar – sehen. Zwar werden Merkmale von Beratung an verschiedenen Stellen aufgeführt, eine klare Gegenüberstellung hätte jedoch die Orientierung für Anfänger erleichtert, die leicht den Eindruck gewinnen könnten, es handele sich bei Beratern um „Mini-Therapeuten“. Berater an Beratungszentren oder Jugendämtern haben i.d.R. einen anderen Arbeitsauftrag als Therapeuten; sie stehen unter erhöhtem Druck, viele „Fälle“ in kurzer Zeit abzuarbeiten; dabei wird es zu Interessekonflikten der Berater kommen, die in diesem Buch zusammengestellten Beratungs-/ Therapiekompetenzen nicht einbringen zu können (bzw. zu dürfen, wenn keine abgeschlossene Therapeutenausbildung vorliegt). Formal ist das Buch ansprechend gestaltet. So finden sich Fotos der zitierten Gründungsväter in den biografischen Abschnitten. Für Studierende sind an vielen Stellen grau unterlegt als „Merke“ wichtige Inhaltsessenzen hervor gehoben. Es finden sich auch einprägsame Abbildungen, teilweise als Cartoons, die die Inhalte veranschaulichen sollen. Insgesamt ist hervorzuheben, dass es der Autorin gelungen ist, die äußerst komplexen therapeutischen vier Säulen auf ein verstehbares Maß zu reduzieren. Dem Buchumfang geschuldet ist die Verkürzung komplexerer Zusammenhänge an vielen Stellen. Gut ist, dass viele Praxisbeispiele eingearbeitet sind, die das Gemeinte für Anfänger in diesem Metier erst recht verständlich machen. Ebenso sind Verständnisfragen sowie kritische Denkanregungen zum Ende eines Abschnitts eingearbeitet, von denen sicherlich im Seminarbetrieb an Hochschulen Gebrauch gemacht werden wird. Das Buch wird erfolgreich Eingang in Anfängerseminare der Sozialpädagogik, Inklusion, Soziale Arbeit und Förderpädagogik finden. Herbert Goetze
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aktualisiert am 07.04.2013 |