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Rezensionen Heft 4 Jahrgang 2008Johann Borchert (2007). Einführung in die Sonderpädagogik. München: Oldenbourg Verlag, 346 Seiten, 36,80 Euro. Mit dem Herausgeberwerk verfolgt Johann Borchert das Ziel, eine aktuelle Orientierungshilfe für den adäquaten Umgang mit Kindern und Jugendlichen von 0–18 Jahren mit bestehenden, sowie sich anbahnenden Behinderungen zu geben. Als Zielgruppe werden Studierende der Sonderpädagogik, Lehrkräfte an allgemeinen und Sonderschulen, aber auch im sonderpädagogischen Bereich tätige Ärzte, Psychologen, Therapeuten und Sozialarbeiter genannt. Das Buch besteht aus neun von fachlich versierten Kollegen verfassten Kapiteln, die sich ausgenommen des Einführungskapitels nach den klassischen sonderpädagogischen Fachrichtungen aufgliedern. Alle Kapitel folgen einer verbindlichen Struktur: Einführung in die Thematik, Definition und Klassifikation von Behinderungen, Verbreitung, Ursachen und Diagnostik sowie pädagogische und therapeutische Interventionen inklusive schulischer Maßnahmen. Zum Abschluss werden dem Leser jeweils Fragen zur Verständniskontrolle an die Hand gegeben. Dem inhaltlichen Teil des Buches folgen ein Sach- und ein Personenregister, die die Handhabung erleichtern und einen Gebrauch als Nachschlagewerk ermöglichen. Im einführenden Kapitel über sonderpädagogische Grundfragen zeigt Johann Borchert aktuelle Tendenzen innerhalb der Disziplin auf, wobei er auf ihr Selbstverständnis eingeht, Termini voneinander abgrenzt und sich mit der Sonderpädagogik als Wissenschaft auseinandersetzt. Dabei wird Bezug auf die kontrovers geführte Paradigmen-Diskussion genommen und die Forderung nach theoriegeleiteter und praxisorientierter Forschung geäußert. Weiter werden zentrale Aufgabenfelder genannt und die Definition von Behinderungen und alternativen Begrifflichkeiten diskutiert. Ein gelungener Einblick in die sonderpädagogischen Diagnostik wird gegeben und unterschiedliche Facetten der Prävention, des Unterrichts und der schulischen Integration erarbeitet. Der Beitrag schafft eine adäquate Grundlage, um weitere Inhalte einordnen zu können. Sven Degenhardt, der Autor des folgenden Artikels, nennt als Basis eines aktuellen wissenschaftlichen Konzepts der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik Teilhabe, Anspruch auf Selbstbestimmung, verbunden mit der Abwendung einer Orientierung an der Sehschädigung des Kindes oder des Jugendlichen hin zu einer Kontextgestaltung des Lern- und Lebensraumes. Definitionen und Klassifikationen werden innerhalb verschiedener Bezüge dargestellt und mit Abbildungen veranschaulicht. Auf die Verbreitung von Blindheit und Sehbehinderungen geht er sowohl im nationalen als auch im internationalen Kontext ein und stellt mögliche Ursachen dafür kurz und präzise dar. Als diagnostische Verfahren werden neben medizinischer Diagnostik auch Verfahren zur Erfassung des physiologischen und des funktionalen Sehens vorgestellt und ein besonderer Schwerpunkt auf die prozessbegleitende pädagogische Diagnostik gelegt. Ein weiterer ausführlicher Abschnitt setzt sich mit Möglichkeiten der pädagogischen Intervention auseinander, wobei wesentliche Hilfsmittel und mögliche Umweltmodifikationen vorgestellt und die zunehmende Überwindung der Tendenz zur strengen Trennung spezifischer Didaktiken zugunsten der Integration gefordert werden. Im sich anschließenden Kapitel über Gehörlosigkeit und Schwerhörigkeit richtet Klaus-B. Günther den Fokus auf die Personengruppe mit schweren Hörschädigungen. Er macht darauf aufmerksam, dass sich die Mehrzahl der hörgeschädigten Menschen der eigenen Hörschädigung nicht bewusst ist und der Anteil erworbener Hörschädigungen durch moderne Umwelteinflüsse steige. Da aber die statistische Datenlage zur aktuellen Verbreitung eher unbefriedigend sei, wird Bezug auf Daten aus den 80er Jahren genommen. Nachdem auf Grundlagen und Störungen des Hörens eingegangen wurde, folgt ein kurzer Abschnitt über mögliche Ursachen schwerer Hörschädigungen. Neben einem Blick auf die geschichtliche sowie aktuelle Entwicklung der Fachdisziplin wird auf Entwicklungen im Bereich der modernen audiologischen Diagnostik und der elektroakustischen Versorgung mit Hörgeräten und Cochlea-Implantaten eingegangen sowie Möglichkeiten und Grenzen der aktuellen Fortschritte innerhalb der Diagnose-, Versorgungsund darauf beruhenden Fördermöglichkeiten aufgezeigt. Ein weiterer Abschnitt widmet sich der Gebärdensprache, bevor auf Klientel und aktuelle Förderkonzepte an Hörgeschädigtenschulen in Deutschland eingegangen wird. In dem Aufsatz zu Geistig- und Schwermehrfachbehinderungen fordert Saskia Schuppener sowohl die Betrachtung der Dimensionen „behindert sein“ und „behindert werden“, als auch die „Akzeptanz des Nicht-Verstehens“: Es gehe darum, sich mit den Personen, die als geistig behindert oder schwermehrfachbehindert gelten, auseinanderzusetzen, ihre subjektiven Behinderungserfahrungen zu ergründen, sich auf ihre individuellen Sichtweisen einzulassen und von ihnen zu lernen. Außerdem wird ein Einblick in die kontrovers geführte Diskussion hinsichtlich unterschiedlicher Termini gegeben. Bezüglich Verbreitung und Ursachen bezieht sich die Autorin auf aktuelle Quellen und erklärt die Problematik der exakten Häufigkeitsangabe mit der Unschärfe des Begriffs. Kritisiert wird die bisher fehlende Aussagekraft gängiger Testverfahren für die Population, was für unterschiedliche Bereiche der Diagnostik gelte. Der Kenntnis möglicher Primärursachen von Entwicklungsverzögerungen wird für den pädagogischen Prozess eine untergeordnete Rolle zugesprochen und aus diesem Grund werden als Diagnoseinstrumente lediglich die „Verstehende Diagnostik“, die „Rehistorisierung“ und das „Diagnostische Mosaik“ angeführt. Abschließend geht Schuppener auf mögliche pädagogische Interventionen in vorschulischem, schulischem sowie nachschulischem Setting, sowie auf pädagogisch-therapeutische Interventionen auf unterschiedlichen Ebenen ein. Im darauf folgenden Abschnitt legt Christoph Perleth den Fokus auf das Thema Hochbegabung, das sich in Deutschland bislang nur wenig etabliert hat. Die amerikanische „special education“ setze sich schon seit einiger Zeit damit auseinander, indem sie sich bezogen auf den Intelligenzbereich mit beiden Extrembereichen der Intelligenzverteilung befasse. Genauso solle auch uns daran liegen, die Begabungen des Einzelnen optimal zu fördern und zu entwickeln. Perleth stellt unterschiedliche Definitionen und Klassifikationen vor, wie z. B. psychometrische Intelligenzmodelle, kognitionspsychologische Ansätze sowie die Expertiseforschung. Die Verbreitung von Hochbegabung wird anhand unterschiedlicher Normskalen dargestellt, Ursachen im herkömmlichen Sinne jedoch nicht benannt, dafür aber Befunde der genetischen Psychologie und die Bedeutung familiärer und institutioneller Lernumwelten für die Begabungsentwicklung. Auf Möglichkeiten und Grenzen der Hochbegabungsdiagnostik und auf klassische Fördermodelle wird eingegangen, daneben aber auch die starke Individualisierung von Unterricht durch flexible Möglichkeiten der inneren und äußeren Differenzierung, sowie der Erarbeitung spezieller Curricula gefordert. Darüber hinaus informiert Perleth über Möglichkeiten der Organisations- und Personalentwicklung und gibt einen Einblick in möglicherweise sinnvolle pädagogisch-therapeutische Interventionen. Auch das Kapitel von Hans Stadler setzt sich mit einer in Deutschland verhältnismäßig jungen Disziplin auseinander: der Körperbehindertenpädagogik. Er zeigt gemeinsame Aufgabenfelder mit anderen sonderpädagogischen Fachdisziplinen auf und lässt einer Thematisierung der Theoriebildung und Geschichte der Fachrichtung einen Überblick über die aktuelle Situation der schulischen Förderung sowie die Auseinandersetzung mit der besonderen Situation von Schwerstbehinderten und hochbegabten Körperbehinderten folgen. Neben Definitionen und Klassifikationen innerhalb von Medizin und Rehabilitationsrecht sowie dem bio-psychosozialen Modell von Behinderung der ICF gibt der Autor einen Überblick über Erscheinungsformen, Ursachen und Auswirkungen, wobei er betont, dass die medizinischen Klassifizierungen zunächst nichts über Auswirkungen auf die intellektuelle Leistungsfähigkeit, Persönlichkeit, die subjektiven Lebenserschwerungen und über Chancen und Risiken der schulischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation aussagen. Auch auf spezifische Probleme pädagogisch-psychologischer Diagnostik, insbesondere standardisierter Testverfahren wird eingegangen und mögliche Alternativen werden aufgezeigt. Hinsichtlich der Verbreitung bezieht er sich auf aktuelle und fundierte Daten. Die Problematik der Prävention, die Möglichkeit von pädagogischen Beratungs- und Frühförderstellen und unterschiedliche Institutionen schulischer Förderung werden erwähnt und auf die jeweiligen Möglichkeiten und Grenzen eingegangen. Abschließend nennt Stadler übergreifende Rehabilitationsziele und geht auf Besonderheiten des Unterrichts sowie auf mögliche Probleme während des Übergangs von Schule ins Erwachsenenleben ein. Der Fokus des Artikels von Alfons Strathmann liegt auf der Lernbehindertenpädagogik. Einer Einführung in die Thematik folgen verschiedene Definitionen, Klassifikationen und Sichtweisen von Lernbehinderungen, wobei er die konstruktivistische Sichtweise kritisiert, da sie eher durch persönliche Ideenkonstrukte als durch objektiv abgesicherte empirische Befunde konzipiert sei. Einem kurzen Einblick in die Verbreitung und mögliche Ursachen folgt ein Abschnitt zur Diagnostik, in dem Bezug auf einige standardisierte Intelligenztests genommen wird. Neben kindzentrierten Präventionsprogrammen und solchen, die die Erziehungskompetenz der Bezugspersonen fördern sollen werden auch solche berücksichtigt, die außerhalb der Familie organisiert sind. Die Anwendung verschiedener Unterrichtsprinzipien und -modelle wird diskutiert und auf Möglichkeiten und Grenzen integrativer Beschulung sowie von Schulprogrammen und –evaluation eingegangen, wobei der Qualitätsentwicklung ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Hinsichtlich der nachschulischen bzw. berufsschulischen Förderung geht Strathmann auf die aktuell prekäre Situation der Jugendlichen mit Lernbehinderungen sowie auf Möglichkeiten wirksamer Berufsvorbereitung ein. Bernd Hansen und Hildegard Heidtmann befassen sich mit dem Bereich der Sprachstörungen. Sie führen verschiedene Definitionen an und geben zu bedenken, dass die gleiche Schädigung, die gleiche Symptomatik und die gleiche quantitative Ausprägung unterschiedliche Folgen für den betroffenen Menschen mit sich bringen können. Einblick in eine Auswahl an Sprach- und Kommunikationsstörungen wird gegeben und anhand aktueller Zahlen Angaben zur Verbreitung gemacht. Der diagnostische Prozess könne zwar je nach Zielsetzung unterschiedlich gestaltet werden, das Kind solle aber immer in den Mittelpunkt gestellt und eine förderliche Atmosphäre geschaffen werden. Die Autoren stellen Merkmale und Prinzipien vor, die zentral für qualitative und lernprozessbegleitende Diagnostik sind. Sie nehmen an, dass Personen prinzipiell dazu fähig sind, Probleme eigenständig bzw. mit fachkundiger Unterstützung zu bewältigen und dementsprechend selbst entscheiden können, welche Hilfen zum Lernen und zur Veränderung sie annehmen. Des Weiteren gehen sie auf präventive Maßnahmen und auf unterschiedliche Formen der Förderung ein. Als mögliche pädagogisch-therapeutische Interventionen werden die entwicklungs- und kommunikationsorientierte Therapie genannt, Formen des Modellierens, die unterstützte Kommunikation und weitere störungsspezifische Methoden. Abschließend wird betont, dass Untersuchungen zu therapeutischen Wirkfaktoren ergeben hätten, dass die wichtigste Variable für den therapeutischen Prozess die therapeutische Beziehung sei und nicht die therapeutische Methode. Das folgende Kapitel von Herbert Goetze hat den jungen Fachbereich der Pädagogik bei Verhaltensstörungen zum Thema, dessen Schwerpunkt nach Ansicht des Autors im angloamerikanischen Raum anders als im deutschsprachigen Raum auf empirisch gesicherten Wissensbeständen liegt. Die Einordnung unterschiedlicher im Fach verbreiteter Sichtweisen wird dadurch erleichtert, dass Goetze einen Überblick über verschiedene Wissenschaftspositionen gibt. Er grenzt den hermeneutischen vom empirisch-rationalistischen Ansatz ab und stellt eine stärkere Verbreitung des ersteren in Deutschland fest. Exemplarisch werden unterschiedliche Sichtweisen von Verhaltensstörungen aufgeführt und insbesondere die Definition von Bower und die Brandenburger Definition berücksichtigt. Der Autor unterscheidet zwischen zwei aktuellen Klassifikationszugängen: der dimensionalen und der psychiatrisch-kategorialen. Verschiedene Angaben zur Verbreitung werden gemacht und hinsichtlich der Ursachen auf die biophysische Basis sowie auf allgemeine und spezifische soziokulturelle Faktoren eingegangen. Der Bereich der Diagnostik wird ausführlich dargestellt und dabei auf unterschiedliche Verfahren eingegangen. Auch über mögliche pädagogisch-therapeutische sowie pädagogische Interventionen, wie z. B. die schulische Förderung einschließlich integrativer und nachschulischer Maßnahmen wird ein gelungener Überblick gegeben. Der einführende Beitrag von Borchert schafft eine adäquate Grundlage, um weitere Inhalte einordnen zu können. Ihm folgen Aufsätze von Degenhardt und Günther, innerhalb derer es gelingt, einen differenzierten und gut strukturierten Überblick über den aktuellen Stand in der jeweiligen Fachrichtung zu geben. Auch Schuppeners Kapitel gibt einen guten Einblick in aktuelle Entwicklungen zum Thema Geistig- und Schwermehrfachbehinderungen und zeigt dabei eine deutliche Tendenz zur kritisch materialistischen Behindertenpädagogik. Ihm folgen gut strukturierte und gelungene Artikel von Perleth über Hochbegabung und Stadler über Körperbehindertenpädagogik. Das Kapitel von Strathmann über Lernbehinderungen hingegen verliert sich trotz interessanter Ansätze leider teilweise in Details. Der Beitrag über Sprachstörungen von Hansen und Heidtmann gibt einen guten Überblick und lässt eine deutliche Kompetenz- und Ressourcenorientierung erkennen. Ein kritischer und fundierter Aufsatz von Goetze über Verhaltensstörungen rundet das Gesamtwerk ab. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich das Herausgeberwerk durch eine klare Struktur auszeichnet, innerhalb derer Beiträge zu verschiedenen Fachrichtungen der Sonderpädagogik mit aktuellem Bezug und unterschiedlicher Schwerpunktsetzung Platz finden, die die vielfältigen Ansichten und Arbeitsweisen in der Sonderpädagogik widerspiegeln. Anna-Maria Hintz, Köln Laubenstein, Désirée (2008). „Sonderpädagogik und Konstruktivismus. Behinderung im Spiegel des Anderen, der Fremdheit und der Macht“. Waxmann Verlag. Münster, 388 Seiten, 29,90 Euro. Konstruktivistische Theorien haben in den letzten Jahren zunehmend Einfluss auf die sonderpädagogische Theoriebildung sowie den wissenschaftlichen Fachdiskurs genommen. Im Vordergrund stehen dabei meist zentrale Kernaussagen radikalkonstruktivistischer Konzepte, die auf unterschiedliche Theorie-und Praxisfelder in der Sonderpädagogik übertragen werden. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Vielfalt, Komplexität und theoretischen Fundierung konstruktivistischer Ansätze kommt in diesen Diskussionen vielfach zu kurz. An diesem Forschungsbedarf ansetzend beschäftigt sich Désirée Laubenstein in ihrer aktuell publizierten Dissertation mit einer Grundlagenreflexion des Verhältnisses von Sonderpädagogik und Konstruktivismus. Die aktuellen Entwicklungen konstruktivistischer Konzepte hin zu einer stärkeren sozialen und kulturellen Orientierung aufgreifend erhält diesbezüglich der interaktionistische Konstruktivismus in der Tradition von Kersten Reich einen besonderen Stellenwert. Als primäre Beobachterperspektive bildet er einen zentralen Ausgangspunkt für die folgende ausführliche Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Sichtweisen und Facetten des Phänomens Behinderung sowie des aktuellen sonderpädagogischen Diskurses. Eine bereichernde Erweiterung, im Sinne einer mehrperspektivischen Beobachtertheorie, erfährt die interaktionistisch-konstruktivistische Beobachterperspektive nach Laubenstein zudem durch die Einbeziehung erkenntnistheoretischer Positionen der Psychoanalyse (Lacan), des (Post-) Strukturalismus (Foucault) und der Phänomenologie. Die Monographie ist sehr übersichtlich gegliedert in ein in die Thematik und relevante Begrifflichkeiten einleitendes Kapitel mit dem Titel „Perspektivische Eingrenzung“, fünf inhaltliche Schwerpunktkapitel sowie einen abschließenden „Perspektivischen Ausblick“. Das Kapitel „Über die Frage nach Beobachterperspektiven oder Wer beobachtet wen?“ thematisiert die Relevanz einer kritischen Überprüfung der Wahrnehmung von „Wirklichkeiten“, insbesondere im sonderpädagogischen Kontext. Auf Basis der interaktionistisch-konstruktivistischen Beobachterperspektive werden diesbezüglich Entwicklungen im sonderpädagogischen Diskurs sowie im gesellschaftlichen Umgang mit Menschen mit einer Behinderung hinsichtlich ihres Anspruchs auf Wirklichkeitsbeschreibungen kritisch beleuchtet. Die ausführliche Betrachtung, Reflexion und Diskussion unterschiedlichster Facetten des Lebens von Menschen mit einer Behinderung, primär in der Begegnung mit Anderen, im gesellschaftlichen Kontext sowie aus der fachtheoretischen Perspektive, steht im Mittelpunkt der folgenden drei Kapitel. Den Kategorien der psychoanalytischen Theorie Lacans nachgehend legt Laubenstein in diesen Kapiteln die Schwerpunkte ihrer Betrachtung auf das „Symbolische“, „Imaginäre“ und „Reale“. Das Kapitel „Das Symbolische oder die Macht der Sprache“ beinhaltet nach einer Einführung in die Gedanken Lacans eine Darstellung der Relevanz sprachlicher Wirklichkeitskonstruktionen, die Laubenstein u. a. anhand der Diskussion des Behinderungsbegriffes im sonderpädagogischen Diskurs kritisch reflektiert. Die Einbeziehung alltagsbezogener Beispiele erleichtert der Leserin und dem Leser an dieser wie an anderen Stellen in der Monographie den Zugang zu komplexen Inhalten. Im Kapitel „Das Imaginäre oder die Geburt des Selbst durch die Spiegelung des Anderen“ wird der Aspekt menschlicher Identitätsbildung in Anlehnung an Lacans Konzept des ‚Spiegelstadiums‘ sowie in Bezugnahme auf aktuelle, sonderpädagogisch relevante Konzepte, wie das der Resilienzforschung, näher betrachtet. Mit der ergänzenden Einbeziehung phänomenologischer Ansätze wird ein vielschichtiges Bild von Identitätsbildung, Dialog und Akzeptanz, im besonderen Spannungsfeld von Abhängigkeit und Autonomie, nachgezeichnet und auf den sonderpädagogischen Diskurs übertragen. Das Kapitel „Das Reale oder die Konfrontation mit dem ‚Nicht-Fassbaren‘ “ befasst sich zentral mit der ‚Begegnung mit dem Fremden‘, u. a. anhand der Betrachtung möglicher ‚Symptome‘ der Reaktion auf eine ungewohnte Begegnung, sowohl auf der persönlichen als auch der gesellschaftlichen Ebene. Wie die vorherigen Kapitel schließt dieses mit einer resümierenden Betrachtung der inhaltlichen Relevanz sowie möglicher Konsequenzen der dargestellten Erkenntnisse für den sonderpädagogischen Diskurs. In ihrem letzten inhaltlichen Schwerpunktkapitel „Macht- und Gewaltdiskurse“ wirft Laubenstein einen auf den vorangegangenen Ausführungen basierenden kritischen Blick auf Einflüsse gesellschaftlicher und politischer Machtstrukturen (im Sinne Foucaults), die sich bis hin zur sonderpädagogischen Theoriebildung bemerkbar machen können. Eine zentrale Ableitung ihrer Analyse findet sich in der Formulierung konkreter Veränderungsbedarfe. Dr. Andreas Eckert, Köln
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aktualisiert am 27.04.2009 |