Heilpädagogische Forschung
 
Editorial des Gastherausgebers Alfred Schabmann
aus: Heilpädagogische Forschung Nr. 2 2016

Liebe Leserin, lieber Leser
der Heilpädagogischen Forschung,

manches ist geschehen, mehr aber ist noch zu tun. Manches ist außerdem, sieben Jahre nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009, noch immer unklar, bedarf der Festlegung und Definition. Und manches – auch das! – läuft womöglich in die falsche Richtung. So kann vielleicht zusammengefasst werden, was die Autoren dieses Themenhefts zum Thema Inklusion – Fortschritte und Bedarfe zu sagen haben. Es sind vier Beiträge, die sich mit verschiedenen Aspekten von Inklusion auseinandersetzen.

Den Anfang machen Tatjana Leidig, Thomas Hennemann, Gino Casale, Johannes König, Conny Melzer und Clemens Hillenbrand. Sie widmen sich der Frage, wie wirksam Lehrerfortbildungen zur inklusiven Beschulung von Kindern und Jugendlichen sind, die Lehrkräfte in der Praxis vor ganz besondere Herausforderungen stellen: Kinder mit emotionalen Problemen und Verhaltensstörungen. Auf Basis eines Literaturreviews kommen die Autoren zu dem Schluss, dass es einer gründlichen Schulung „im Feld“ bedarf, die viele Rückkopplungsschleifen enthält, damit Lehrerfortbildung im genannten Bereich erfolgreich ist.

In dieser Ausgabe der Heilpädagogischen Forschung werden Sie gleich zwei Beiträge zum Problem der Diagnostik und Förderung von Rechenleistungen bei Grundschulkindern finden. Stefan Voß von der Rostocker Universität hat seine Arbeit „Rechengeschwindigkeit, -präzision oder -flüssigkeit? Zur Vorhersage und Förderung der Rechenleistungen von Erstklässlern“ tituliert; sein Beitrag basiert auf dem Konstrukt der Rechenflüssigkeit als Indikator für Rechenschwierigkeiten, wobei Rechengeschwindigkeit, -präzision sowie -flexibilität eine Rolle spielen. Die eigene Untersuchung beantwortet die Frage nach der besten Vorhersage der Mathematikleistungen zum Ende des ersten Schuljahres und entsprechend abgeleiteten Handlungsempfehlungen für verschiedene Rechenprofile.

Inhaltlich etwas weiter gefasst ist der Beitrag zum Rechnen von Jürgen Walter unter dem Titel „Prognostisch-klassifikatorische Aussagen von mathematischen Screening-Verfahren am Anfang der Grundschulzeit: eine Bestandsaufnahme“, in welchem es um eine kritische Sichtung der einschlägigen Screening-Verfahren zur prognostischen Aufdeckung von Rechenschwächen im Grundschulalter geht. In der Darlegung spielen wichtige prognostisch-klassifikatorische Güte-Indizes bezüglich der Vorhersage einer Rechenschwäche die entscheidende Rolle, um die vorhandenen Instrumente beurteilen zu können.

Die Kölner Forschergruppe Barbara Maria Schmidt, Petra Breuer-Küppers, Sina Göntgen und Alfred Schabmann hat die sog. prosodische Sensitivität (= Sensitivität für Betonungs- und Längenmuster in der gesprochenen Sprache) und phonologische Bewusstheit nicht bei Schülerpopulationen, sondern bei schwachen und durchschnittlichen erwachsenen deutschen Lesern untersucht. Ziel der vorliegenden Studie war es, Literaturbefunde zum Effekt der prosodischen Sensitivität auf das Lesen bei Erwachsenen zu überprüfen sowie Effekte beider Konstrukte auf das Lesen zu analysieren. Die Ergebnisse beantworten die Frage, wie Defizite bei schwachen Lesern in diesem Zusammenhang zu erklären sind und welche der beiden Kompetenzen vermutlich als Vorläuferfertigkeit fungiert.

Ich verspreche Ihnen also nicht zu viel, wenn ich meine, dass es sie noch gibt, nämlich Fachleute, die allen Anfechtungen zum Trotz zu solider Forschungsarbeit in der Lage sind. Ihnen wünsche ich, dass Sie mir nach der Lektüre dieser Ausgabe der Heilpädagogischen Forschung zustimmen werden,

Ihr
Alfred Schabmann
(Gastherausgeber)

zur Übersicht des Jahrgangs 2016
pic/blindgelb.gif (103 Byte)
zurück zum Kopf der Seite
aktualisiert
am 21.06.2016