Editorial von
Herbert Goetze aus: Heilpädagogische Forschung Nr. 2 2015
Liebe Leserin, lieber Leser
der Heilpädagogischen Forschung,
am Anfang dieser Ausgabe der Heilpädagogischen Forschung steht ein Beitrag des Seniors der Heil- und
Sonderpädagogik: Otto Speck. Speck wird Ihnen durch wegweisende Buchpublikationen bekannt sein wie Chaos und
Autonomie in der Erziehung (1997) oder Hirnforschung und Erziehung (2009), in denen er dezidiert seine
Ansichten zu ungelösten Problemen der Erziehungswissenschaften und Behindertenpädagogik dargelegt hat.
Sein hier vorgelegter Beitrag trägt den Titel Das schulpolitische Inklusionsdilemma in Deutschland –
Die Verabschiedung des Inklusionsgesetzes im Deutschen Bundestag und deren Folgen. Mit seinem Positionsbeitrag
beweist Otto Speck einmal mehr den Mut, seine Stimme gegen unreflektiert ideologisch festgefahrene
Positionen zu erheben, aber entscheiden Sie selbst, inwiefern Sie mit den von Otto Speck vorgetragenen
Positionen übereinstimmen.
An zweiter Stelle legen Kathrin Mahlau von der Universität Rostock und Karin Salzberg-Ludwig von der
Universität Potsdam ihre vorzügliche Forschungsarbeit zu Sozialen und emotionalen Schulerfahrungen bei
Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen in unterschiedlichen schulischen Settings vor. Sie werden erfahren,
dass die soziale Integration von inklusiv beschulten Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf häufig nicht
gut gelingt, dass dies insbesondere für Kinder mit einem hohen Förderbedarf im Bereich Sprache zutrifft, die
in dieser Hinsicht nach Grimm (1999) „Risikokinder ersten Ranges“ seien. In ihrer Untersuchung
gehen die beiden Autorinnen den Fragen nach, wie sich in regulären Grundschulklassen und Sprachheilklassen
sozial-emotionale Schulerfahrungen, Gesamtproblemverhalten, prosoziales Verhalten und schließlich die
soziale Integration für diese sonderpädagogische Zielpopulation gestalten. Sie werden von den Ergebnissen
sicherlich überrascht sein.
Um ein anderes sonderpädagogisch brisantes Problem geht es im sich anschließenden Literatur-Review von
Christian Fischer und Paul Probst aus Hamburg: Trennungsangst bei Zwangsstörungen. Die Autoren gehen der
Frage nach, ob und inwiefern sich eine bei juvenilen Zwangsstörungen koexistierende Trennungsangst auf das
klinische Bild sowie die sozial-emotionale Entwicklung auswirkt. Sie kommen u.a. zu dem Ergebnis, dass eine
Trennungsangstsymptomatik das klinische Bild von Zwangsstörungen prägen kann, und dass daraus sozial-emotionale
Störungen resultieren können.
Der abschließende Forschungsbeitrag von Alfred Schabmann und Barbara Maria Schmidt aus Köln wird diejenigen
Leserinnen und Leser besonders interessieren, die an der diagnostischen Aufdeckung von frühen Leseproblemen
interessiert sind. Die Autoren fragen in ihrem Forschungsbeitrag danach, ob Leseleistungen durch eine frühe
Simulation des Leseunterrichts vorhergesagt werden können. Auf Basis von Wimmers differenzieller
Induktionshypothese (Wimmer et al., 1991) untersuchten sie, inwieweit durch eine Simulation des Lesenlernens
spätere Leseleistungen besser prognostiziert werden können als durch die Erfassung der phonologischen
Bewusstheit und der Benennungsgeschwindigkeit. Vermutlich wird die Fachwelt aufgrund der vorgelegten
Ergebnisse manche Lehrmeinungen zu revidieren haben.
Ich denke, dass diese Ausgabe der Heilpädagogischen Forschung ein kritisches Lese-Echo finden wird!
Ihr
Herbert Goetze |