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Mit dieser Rezension möchte ich der Fachrhetorik der Autoren mit einer Detailanalyse
ihrer Aussagen entgegen treten. Dabei mag diese für manche Leser übertrieben erscheinen,
wenn es mir um die Gegenüberstellung der Autorenaussagen mit den Originärzitaten geht.
Aber wissenschaftliches Arbeiten ist manchmal ein mühseliges Geschäft, dem ich mir hier
unterzogen habe, damit der wissenschaftliche Dialog zur Wirkungsweise der FC unter
Einbezug der tatsächlich vertretenen Argumente beider Seiten stattfinden kann.
Rezeption der Validierungsstudien
Ausgangspunkt einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit einem Forschungsgegenstand
ist die Kenntnis dessen, was andere Forscher zuvor empirisch oder theoretisch erarbeitet
haben. Aus den Ausführungen von Janz und Klauß wird jedoch an mehreren Stellen deutlich,
dass die Kenntnis des Sachstandes nicht dokumentiert wird. So führen sie im Kapitel
„Stand der Forschung“ aus:
Auffällig ist die Tatsache, dass in vielen Fällen festgestellt wurde, dass FC nur
‚funktioniert‘, wenn die Stützperson die Aufgabenstellung kennt und diese selbst
lösen kann (mündliche Mitteilung von FC-Stützern). Umfangreich und systematisch untersucht
ist dies nicht, zumindest in einer Studie wird dies jedoch empirisch belegt.
(Janz & Klauß 2012, 24)
Zum Phänomen, dass die FC nur dann zu richtigen Antworten führt, wenn der Stützer
die Fragen auch gleich selbst beantworten könnte, gibt es neben der von Janz und Klauß
im Anschluss an das obige Zitat erwähnten Studie von Bligh und Kupperman (1993) mehr
als 20 weitere einschlägige Studien (vgl. die Übersichten in Biermann 1999, Bober 2012,
Nußbeck 2004, Probst 2005). In jeder dieser Studien wurde die Leistung bei wissendem
und unwissendem Stützer miteinander verglichen; in einigen wurden zusätzlich Daten zu
weiterführenden Fragen erhoben, beispielsweise ob besagtes Phänomen auch bei anderen
Verfahren der Unterstützten Kommunikation nachweisbar ist.
Indem Janz und Klauß diese Befundlage als dürftig bewerten, stellen sie den
Forschungsstand als weniger eindeutig zugunsten der Position der Kritiker dar, als er es
nach den Ergebnissen systematischer Literaturübersichten ist. Zudem muss auf dem Hintergrund
dieser Information ihre spätere Angabe, dass nach den Ergebnissen der Validierungsstudien
die „mit FC erbrachten Leistungen von der Aufgabenkenntnis der Stützer abhängen“ (S. 26)
als Mitteilung über ein graduelles Phänomen aufgefasst werden. Um einen Totalverlust
der vermeintlichen Kommunikationsfähigkeit des Schreibers bei unwissendem Stützer kann
es sich schließlich nicht handeln, denn ein solches Alles-oder-nichts-Phänomen ist
nach den Ausführungen im obigen Zitat nur durch anekdotische Evidenz und einzelne
Studien dokumentiert.
Diese durch vage Formulierungen bei der Beschreibung des Forschungsstands induzierte
Lesart stützt wiederum die von Janz und Klauß (2012) sowie anderen Befürwortern der
FC vertretene These, bei der FC würden die Schreiber und Stützer in einem kollaborativem
Schreibprozess die Texte erstellen. Die Inhalte der Texte würden zu wechselnden
Anteilen von Schreiber und Stützer stammen, manchmal überwiege der Anteil der Schreiber
und manchmal der der Stützer. Die Problematik der FC wird somit als die einer mehr oder
weniger starken Beeinflussung der Kommunikation des Schreibers durch den Stützer konzipiert,
nicht als die des Ersatzes der Kommunikation des Schreibers durch den Stützer.
Viele Kritiker der FC würden gegen diese Konzeption der Forschungsfrage zur Validität
der FC protestieren, unter anderem schon deshalb, weil bisher in keinem FC-Text
Anzeichen für eine solche „Doppelsteuerung“ gefunden wurden (vgl. Bober 2001). Janz und
Klauß (2012) präsentieren aber ausschließlich ihre Deutung der Befunde und definieren
die Kontroverse um die FC als Streit darum, ob sich der Einfluss des Stützers noch in
vertretbaren Grenzen hält. Wünschenswert gewesen wäre eine Auseinandersetzung mit den
konkurrierenden theoretischen Konzeptionen der Validitätsfrage. Wenn das aus Platzgründen
nicht leistbar war, hätten Janz und Klauß zumindest den Leser darüber informieren können,
dass die von ihnen dargestellte Grundannahme der kollaborativen Texterstellung umstritten ist ...
... weiterlesen können Sie in der Printausgabe [Heilpädagogische Forschung 38(3), 147–155]