Heilpädagogische Forschung
 
Kritische Rezension zu:
Janz, F. & Klauß, Th. (2012). Facilitated Communication –
Interaktionsanalysen bei einer kontrovers diskutierten Methode
276 Seiten, € 29,00. Universitätsverlag Winter

aus: Heilpädagogische Forschung Nr. 3 2012
von Allmuth Bober

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Mit dieser Rezension möchte ich der Fachrhetorik der Autoren mit einer Detailanalyse ihrer Aussagen entgegen treten. Dabei mag diese für manche Leser übertrieben erscheinen, wenn es mir um die Gegenüberstellung der Autorenaussagen mit den Originärzitaten geht. Aber wissenschaftliches Arbeiten ist manchmal ein mühseliges Geschäft, dem ich mir hier unterzogen habe, damit der wissenschaftliche Dialog zur Wirkungsweise der FC unter Einbezug der tatsächlich vertretenen Argumente beider Seiten stattfinden kann.

Rezeption der Validierungsstudien

Ausgangspunkt einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit einem Forschungsgegenstand ist die Kenntnis dessen, was andere Forscher zuvor empirisch oder theoretisch erarbeitet haben. Aus den Ausführungen von Janz und Klauß wird jedoch an mehreren Stellen deutlich, dass die Kenntnis des Sachstandes nicht dokumentiert wird. So führen sie im Kapitel „Stand der Forschung“ aus:
Auffällig ist die Tatsache, dass in vielen Fällen festgestellt wurde, dass FC nur ‚funktioniert‘, wenn die Stützperson die Aufgabenstellung kennt und diese selbst lösen kann (mündliche Mitteilung von FC-Stützern). Umfangreich und systematisch untersucht ist dies nicht, zumindest in einer Studie wird dies jedoch empirisch belegt. (Janz & Klauß 2012, 24)

Zum Phänomen, dass die FC nur dann zu richtigen Antworten führt, wenn der Stützer die Fragen auch gleich selbst beantworten könnte, gibt es neben der von Janz und Klauß im Anschluss an das obige Zitat erwähnten Studie von Bligh und Kupperman (1993) mehr als 20 weitere einschlägige Studien (vgl. die Übersichten in Biermann 1999, Bober 2012, Nußbeck 2004, Probst 2005). In jeder dieser Studien wurde die Leis­tung bei wissendem und unwissendem Stützer miteinander verglichen; in einigen wurden zusätzlich Daten zu weiterführenden Fragen erhoben, beispielsweise ob besagtes Phänomen auch bei anderen Verfahren der Unterstützten Kommunikation nachweisbar ist.

Indem Janz und Klauß diese Befundlage als dürftig bewerten, stellen sie den Forschungsstand als weniger eindeutig zugunsten der Position der Kritiker dar, als er es nach den Ergebnissen systematischer Literaturübersichten ist. Zudem muss auf dem Hintergrund dieser Information ihre spätere Angabe, dass nach den Ergebnissen der Validierungsstudien die „mit FC erbrachten Leistungen von der Aufgabenkenntnis der Stützer abhängen“ (S. 26) als Mitteilung über ein graduelles Phänomen aufgefasst werden. Um einen Totalverlust der vermeintlichen Kommunikationsfähigkeit des Schreibers bei unwissendem Stützer kann es sich schließlich nicht handeln, denn ein solches Alles-oder-nichts-Phänomen ist nach den Ausführungen im obigen Zitat nur durch anekdotische Evidenz und einzelne Studien dokumentiert.

Diese durch vage Formulierungen bei der Beschreibung des Forschungsstands induzierte Lesart stützt wiederum die von Janz und Klauß (2012) sowie anderen Befürwortern der FC vertretene These, bei der FC würden die Schreiber und Stützer in einem kollaborativem Schreibprozess die Texte erstellen. Die Inhalte der Texte würden zu wechselnden Anteilen von Schreiber und Stützer stammen, manchmal überwiege der Anteil der Schreiber und manchmal der der Stützer. Die Problematik der FC wird somit als die einer mehr oder weniger starken Beeinflussung der Kommunikation des Schreibers durch den Stützer konzipiert, nicht als die des Ersatzes der Kommunikation des Schreibers durch den Stützer.

Viele Kritiker der FC würden gegen die­se Konzeption der Forschungsfrage zur Validität der FC protestieren, unter anderem schon deshalb, weil bisher in keinem FC-Text Anzeichen für eine solche „Doppelsteuerung“ gefunden wurden (vgl. Bober 2001). Janz und Klauß (2012) präsentieren aber ausschließlich ihre Deutung der Befunde und definieren die Kontroverse um die FC als Streit darum, ob sich der Einfluss des Stützers noch in vertretbaren Grenzen hält. Wünschenswert gewesen wäre eine Aus­einandersetzung mit den konkurrierenden theoretischen Konzeptionen der Validitätsfrage. Wenn das aus Platzgründen nicht leistbar war, hätten Janz und Klauß zumindest den Leser darüber informieren können, dass die von ihnen dargestellte Grundannahme der kollaborativen Texterstellung umstritten ist ...

... weiterlesen können Sie in der Printausgabe [Heilpädagogische Forschung 38(3), 147–155]

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aktualisiert
am 17.09.2012