Heilpädagogische Forschung
 
Editorial von Herbert Goetze aus: Heilpädagogische Forschung Nr. 2 2011

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Liebe Leserin, lieber Leser
der Heilpädagogischen Forschung,

Ende Juni erschien in der Berliner Lokalpresse eine Meldung mit dem Titel „Noch weniger Förderstunden für behinderte Schüler“. Dort hieß es sinngemäß: Weil die Gesamtzahl der Förderstunden sowie der Sonderpädagogen begrenzt ist, die Anzahl der förderbedürftigen Schüler aber steigt, verringert sich die Zahl der Förderstunden, und zwar an den Grundschulen von 2,5 auf 2,0 Förderstunden pro Woche, von 3,0 auf 2,3 an Sekundarstufen. Und weiter: Massiv betroffen sind vor allem Schulen, die integrieren, sie verlieren ein bis zwei Lehrerstellen. Damit wird nun realisiert, was kritische Befürworter der schulischen Inklusion von Anfang an befürchtet haben, dass nämlich eine Ausdünnung der Serviceangebote stattfinden wird, wenn Schulbürokraten eine Chance für Sparmaßnahmen wittern. Man ist blind für die Einsicht, dass ein inklusives System teurer sein wird als das alte gewesen ist. Wann wir man je verstehn?

Intern gibt es bei der Heilpädagogischen Forschung eine Änderung zu vermelden: Frau Prof. Dr. Barbara Gasteiger Klicpera von der Universität Graz wird uns von nun ab als Redakteurin und Peer Reviewerin zur Seite stehen, wofür wir ihr herzlich danken, bringt sie doch sonderpädagogisches Expertertum insbesondere hinsichtlich der Beforschung der Inklusonspädagogik ein. Prof. Dr. Chris­tian Klicpera wird dafür als Redakteur zurücktreten. Wir bedauern dies sehr, denn Christian Klicpera hat die Arbeit der Heilpädagogischen Forschung über Jahrzehnte hinweg aktiv mit eigenen Beiträgen, Reviews und Rezensionen unterstützt, wir sind ihm für diese langjährige Arbeit unendlich dankbar; ohne ihn trüge die Heilpädagogische Forschung nicht ihr heutiges Gesicht.

Wieder einmal erwartet Sie ein interessantes Spektrum an sonderpädagogischen Inhalten in dieser Ausgabe:

Manfred Hintermair, Lena Krieger und Toni Mayr stellen ihre Ergebnisse einer Untersuchung vor, in der eine modifizierte deutsche Kurzversion der Student Teacher Relationship Scale (STRS) mit hörgeschädigten Kindern durchgeführt wurde, die einen Kindergarten einer Sondereinrichtung bzw. einen Kindergarten für hörende Kinder besuchen. Die Fragestellung i. e. S. war, ob diese Kurzversion ein valides und verlässliches Fragebogeninstrument zur Erfassung der Erzieherinnen-Kind-Beziehung darstellt.

Im zweiten Beitrag von Klaus Sarimski geht es um die Belastung von Familien mit geistig behinderten Vorschulkindern und den Anpassungsproblemen der älteren, nicht behinderten Geschwister. Es stellt sich nämlich die in der Fach­literatur uneinheitlich beantwortete Frage, ob es eine bedeutsam erhöhte Rate von Verhaltensauffälligkeiten und emotionalen Problemen bei den Geschwistern gibt. Die vorgestellten Ergebnisse räumen vielleicht mit manchem Vorurteil auf, sie sprechen aber dafür, Geschwistern behinderter Kinder in der Frühberatung besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Im dritten Beitrag beschreibt Burkhart Fischer, wie anhand von Blicksteue­rungsuntersuchungen bei Legasthenie (Lese-Rechtschreibstörung) und Dyskalkulie (Rechenstörung) in einem Blick­labor vorgegangen wird. Die komplizierte Blicksteuerungsuntersuchungsmethodik schließt sog. Prosakkaden-Aufgaben mit Overlapbedingun­gen ein, wobei Sakkade für Blick­sprung steht, pro bedeutet, dass man hin zum Reiz schauen soll, und overlap, dass sich die Sichtbarkeit des Fixationspunktes und des Zielreizes zeitlich überlappen. Für diese zukunftsträchtige Technologie gibt es erste beachtliche Anfangserfolge bei der Therapie von Lese-Rechtschreibstörungen und Rechenstörungen.

Schließlich werden Kolleginnen und Kollegen einer Schule mit den Förderschwerpunkten motorische und geistige Entwicklung vorstellen, wie sie die jetzt von allen Schulen geforderte Unterrichtsentwicklung und Evaluation in der Pädagogik bei schwerer und mehrfacher Behinderung am Beispiel der Förderpflege vorangebracht haben. Insbesondere die Kollegien vergleichbarer Einrichtungen werden dankbar dafür sein, einen systematisch entwickelten Förderpflegebogen vorgestellt zu bekommen, der auch in anderen Einrichtungen verwendet werden kann. Eine interne Mitarbeiterbefragung an der Förderschule ergab große Zustimmung, interne Evaluationen auf diese Weise durchzuführen.

Unsere diesmalige Ausgabe der Heilpädagogischen Forschung wird mit Rezensionen und einem umfänglicheren Ankündigungsteil abgeschlossen.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre,

Ihr
Herbert Goetze

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aktualisiert am 17.04.2011