Heilpädagogische Forschung
 
Stereotype-Threat Effekte bei Schülern des Förderschwerpunkts Lernen
aus: Heilpädagogische Forschung Nr. 4 2010
von Jürgen Wilbert

Wenn in Leistungssituationen ein negatives Stereotyp über die Leistungsfähigkeit eines Schülers aktiviert wird, stellt dies eine potenzielle Bedrohung seines Selbstwertes dar. Im Sinne einer sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung kann es infolge dessen zu schlechteren Testleis­tungen kommen und das Stereotyp wird bestätigt. Dieser Zusammenhang wurde von Steele und Kollegen untersucht und als Stereotype Threat (ST) bezeichnet. Bisherige Forschung konnte den ST vor allem bei der intellektuellen Testleistung von Afro-Amerikanern sowie bei der Mathematikleistung von Schülerinnen, aber auch in anderen Bereichen nachweisen. Allerdings liegen bisher wenige Studien vor, die ST im Kontext des Stereotyps einer Behinderung untersuchen. Im deutschen Schulsystem werden die meisten Kinder mit einer Lernstörung oder Lernbehinderung in separierten Förderschulen unterrichtet. Die vorliegende Studie geht der Frage nach, ob das Etikett des Besuchs einer solchen Förderschule zu einem negativen ST-Effekt führen kann. Dazu wurden Schüler von Schulen des Förderschwerpunkts Lernen zufällig einer Kontroll- und einer Experimentalgruppe zugeteilt. Beide Gruppen führten einen kognitiven Leistungstest (Raven SPM) durch und beantworteten anschließend Fragen zu ihrer aktuellen Prüfungsängstlichkeit. Zur Aktivierung des Stereotyps wurde die Ex­pe­ri­mentalgruppe vor Durchführung des Tests nach dem Namen der von ihr besuchten Schule gefragt, während die Kontrollgruppe lediglich nach dem Wochentag gefragt wurde. Wie auf Basis des ST zu erwarten, fanden sich geringere kognitive Leistungen nach Aktivation des Stereotyps (d = 0.44), sowie eine erhöhte Aufgeregtheit nach Ende des Tests (d = 0.32). Post-hoc-Analysen weisen darauf hin, dass nicht alle Schüler der Experimentalgruppe von ST betroffen waren.

Schlüsselwörter: Förderschwerpunkt Lernen; Lernbehinderung; Sterotype Threat; Prüfungsängstlichkeit

Stereotype-threat effects on students of special education classes for slow learners.

When membership to a negatively stereotyped group is activated and people are at risk to confirm this stereotype, their self-worth is threatened. From this finding Steele and colleagues developed the theory of stereotype threat. The effect of negative stereotypes on cognitive performance has been shown repeatedly. Up to now research has focused primarily on women’s math performance and intellectual test performances of African Americans. Less research has been done on the relation of stereotype threat and disabilities.
German students with severe learning problems are mostly educated in separated schools. They are broadly stereotyped to fail in intellectual tasks. For this reason, we wanted to know whether or not attending a school for students with learning problems may evoke stereotype threat. Therefore, we randomly assigned 93 7th to 10th grade students from a special education school to two experimental groups. Both groups performed intelligence test tasks. Before test items were administered the stereotype-group was asked which school they attended, while control-group members were asked for the weekday. As hypothesized, we found significant lower test performances in the stereotyped group (d = 0.44) as well as an increased test related excitement (d = 0.32). But Post-hoc analyses suggest evidence that not all students of the experimental condition were affected by stereotype threat.

Keywords: slow learners; learning disability; stereotype threat; test anxiety

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aktualisiert am 17.04.2011