Editorial von
Herbert Goetze aus: Heilpädagogische Forschung Nr. 2 2010
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Liebe Leserin, lieber Leser
der Heilpädagogischen Forschung,
in eigener Sache möchte ich mich an dieser Stelle bei Ihnen für Ihr fort dauerndes Leseinteresse bedanken, das letztlich auch das ökonomische Überleben dieser Fachzeitschrift ermöglicht. Bedenken Sie: In diesem Publikationsorgan werden Sie keine bezahlten Anzeigen finden, diese Zeitschrift wird von keinem Verlag, keinem Verband und keiner anderen Organisation gesponsert. Die ökonomische ‚Decke‘ ist also hauchdünn, weshalb wir für jedes Abonnement dankbar sind. Natürlich kann es auch vorkommen, dass jemand das Interesse an der Sonderpädagogik verliert oder selbst in finanzielle Umstände gerät, die die Aufgabe der Verbindung zur Heilpädagogischen Forschung nachvollziehbar erscheinen lassen. Wir sind uns jedoch sicher, dass der größte Teil der Leserschaft nicht nachlassen wird, das Anliegen dieser Zeitschrift, nämlich solide Forschungsbeiträge der Behindertenpädagogik zu publizieren, zu unterstützen.
Im Forschungsbeitrag von Stefanie Strauch und Rainer Schliermann unter dem Titel „Effekte eines Sport- und Bewegungsangebotes auf die Motorik und das Körperselbstkonzept bei Erwachsenen mit geistiger Behinderung“ wird der Frage nachgegangen, welchen Einfluss Sport und Bewegung auf die Motorik und auf die körpernahen Bereiche des Selbstkonzepts bei Erwachsenen mit geistiger Behinderung ausübt. Insgesamt geben die Ergebnisse des Langzeitversuchs zu erkennen, dass erwachsene Personen mit geistiger Behinderung in ihrer motorischen Entwicklung nachhaltig trainiert werden können.
Nadja Högner von der Humboldt-Universität Berlin geht in ihrer Arbeit einem relativ seltenen Syndrom, dem Usher-Syndrom, nach, das durch eine hereditäre Innenohrschädigung und eine später eintretende hereditäre Netzhautdegeneration bestimmt ist. Hier interessierte die Frage, ob Usher-Betroffene verglichen mit der Normalbevölkerung vermehrt Stresserfahrungen aufweisen. Die Ergebnisse bestätigen die Erwartungen und geben Anlass zu Überlegungen, in welcher Weise rehabilitationspädagogische Maßnahmen in Form von Adaptationen hinsichtlich Arbeitsplatzausgestaltung (z. B. Orientierungsmöglichkeiten, Mobilität, Vermittlung medialer und kommunikativer Fähigkeiten) eingebracht werden sollten, um die nachgewiesenen Stresserfahrungen zu minimieren.
Heinrich Tröster von der Technischen Universität Dortmund wendet sich dem wichtigen Thema „Geschwister von Menschen mit Behinderung im Erwachsenenalter“ zu und gewährt einen aktuellen Literaturüberblick zum derzeitigen Forschungsstand, indem Ergebnisse und methodische Ansätze von 26 empirischen Studien erörtert werden. Dabei geht es z. B. um die Frage, welche Rolle den nicht behinderten Geschwistern hinsichtlich Unterstützungs- und Betreuungsfunktionen zukommt, wenn die Eltern krankheits- oder altersbedingt die Betreuung nicht mehr übernehmen können.
In dieser Ausgabe der Heilpädagogischen Forschung bieten wir Ihnen einen außergewöhnlichen Bericht zur Lektüre an: Die Autorin Yan Peng von der Sichuan Normal University berichtet über den aktuellen Stand der inklusiven Bildung in der VR China. Was diesen Bericht so lesenswert macht, sind ihre ungewöhnlich klaren, ungeschönten Aussagen über die Defizite des chinesischen Bildungssystems, die vor wenigen Jahrzehnten nicht ungestraft hätten geäußert werden dürfen.
An letzter Stelle ist ein Beitrag der Kategorie „Aus der Praxis“ zu lesen, in welchem es um konkrete Vorbereitungen zur Unterrichtung einer Förderklasse im Themenbereich der Rational-emotiven Erziehung geht. Wer sich ein wenig mit der Rational-emotiven Therapie von Albert Ellis auskennt, kann die hier abgedruckten Unterrichtsvorbereitungen unmittelbar für den eigenen Unterricht verwenden.
Wie immer wünsche ich Ihnen eine interessante Lektüre dieser Ausgabe der Heilpädagogischen Forschung, die ein weites Spektrum sonderpädagogischer Themen widerspiegelt,
Ihr
Herbert Goetze |