Editorial von
Herbert Goetze aus: Heilpädagogische Forschung Nr. 2 20089
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Liebe Leserin, lieber Leser der Heilpädagogischen Forschung,
man könnte fast meinen: FC und kein Ende. Worum geht es? Die sog. Gestützte Kommunikation (engl. Facilitated Communica-tion, FC) feiert weiterhin fröhliche Urständ, obwohl längst nachgewiesen ist, dass es ihr an einer erfahrungswissenschaftlichen Basis mangelt, was seit nunmehr zwei Jahrzehnten auch bekannt ist. Man könnte ja meinen, dass solchen Störungen im Wissenschaftsbetrieb am besten durch Ignorieren zu begegnen ist, weil sich die Angelegenheit im Laufe der Zeit schon von selbst erledigen wird. Wie im Berichtsteil dieser Ausgabe nachzulesen ist, darf man die Angelegenheit nun doch nicht auf sich beru-hen lassen, denn nach und nach wird eine FC-Nebenwirkung offenbar, von der die FC-Anhänger so gar nichts wissen wollen: FC kann den damit Behandelten auch schweren Schaden zufügen. Paul Probst schildert in seinem Bericht zwei solcher Fallgeschichten, und der Redaktion sind weitere Fälle bekannt, bei denen eine Entlassung aus dem Dienst und eine Entfernung einer Schutzbefohlenen aus der Stammfamilie die Folge von durch ausschließlich durch FC „bewiesenem“ Missbrauch waren. Dass solches, zum Himmel schreiendes Unrecht nicht die Öffentlichkeit erreicht, hängt mit der Macht der FC-unterstützenden Insti-tutionen und der Abhängigkeit der durch FC Geschädigten von eben diesen Institutionen zusammen, die noch schlimmere Sanktionen befürchten, wenn sie an die Öffentlichkeit treten. Es ist an der Zeit, die Schädigungen, die durch FC hervor gerufen werden, deutlicher in das fachliche und öffentliche Bewusstsein zu bringen (s. dazu die hintere Umschlagseite).
Davon abgesetzt enthält diese Ausgabe der Heilpädagogischen Forschung wiederum solide Beiträge wissenschaftlicher Forschung. An erster Stelle geht Jürgen Walter von der Universität Flensburg in seinem Beitrag der Frage nach, ob und in welchem Maße neuere Verfahren der Lernfortschrittsmessung des Curriculumbasierten Messens die testtheoretischen Kriterien der Reliabilität, Validität und Änderungssensibilität erfüllen. Walter stellt die Problematik am Beispiel der sog. MAZE-Prozedur zur Lernfortschrittsmessung des Lesens zunächst theoretisch dar und entwickelt im Anschluss ein Forschungsprojekt, an welchem nicht weniger als N = 1000 Schüler beteiligt waren.
Anschließend stellt Heinz Krombholz eine explorative Längsschnittstudie zur Entwicklung sportlicher, feinmotorischer und kognitiver Leistungen bei lernbehinderten Schülern mit motorischen Entwicklungsstörungen vor, die sich über einen Zeitraum von zwei Jahren erstreckt hat. Dabei stand die Entwicklung von körperlichen Merkmalen, Fitness, feinmotorischen und kogni-tiven Leistungen der auffälligen im Vergleich zu den unauffälligen Kindern im Fokus.
Im anschließenden Literatur-Review von Werner Leitner steht die elterliche Trennung im Blickfeld schulischer Handlungsperspektiven im Mittelpunkt. Im vorliegenden Beitrag werden die relevanten Befunde und Ansätze systematisch aufgearbeitet, und es werden Konsequenzen für Interventionsprogramme, Ansätze einer familienunterstützenden Arbeit sowie für die themenspezifische Unterrichtsdidaktik gezogen.
Oben ist schon auf den Bericht von Paul Probst zur Schädigung durch die Anwendung von Gestützter Kommunikation hingewiesen worden. Es folgt ein zweiter Bericht von Sebastian Barsch zu politischgesellschaftlichen Wertvorstellungen und Beurteilungen von Menschen mit geistiger Behinderung in Ostdeutschland. Barsch berichtet darüber, wie diese Menschen ihr Leben vor und nach der Wende vergleichend sehen, ob eine vergleichsweise größere Abneigung gegen Ausländer bei ihnen vorhanden ist und inwiefern sie als Wähler repräsentiert sind.
Der Textteil dieser Ausgabe wird mit einem Beitrag unserer neuen Kategorie Aus der Praxis der Behindertenhilfe abgeschlossen: Sylke Hölscher stellt darin knapp die Behindertenhilfe des Berliner Ev. Johannesstifts vor.
Diese Ausgabe der Heilpädagogischen Forschung wird wie üblich durch die Hochschuldidaktischen Fragen, das Glossar, Rezensionen und durch unseren Ankündigungsteil abgeschlossen.
Ich freue mich über Ihr Interesse an diesen so unterschiedlichen Beiträgen dieser Ausgabe der Heilpädagogischen Forschung,
Ihr Herausgeber
Herbert Goetze |