Editorial von
Herbert Goetze aus: Heilpädagogische Forschung Nr. 1 2009
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Liebe Leserin, lieber Leser der Heilpädagogischen Forschung,
lassen Sie mich zunächst in eigener Sache eine Mitteilung über die Weiterführung der Heilpädagogischen Forschung überbringen. Es ist nicht leicht, eine Forschungszeitschrift, die sich der Sonderpädagogik verpflichtet fühlt und die so ganz ohne Werbeeinnahmen, ohne Sponsoren, ohne den Rückhalt durch Vereine oder große Verlage auskommt, am Leben zu erhalten und weiter zu führen. Wie schwierig das ist, das hat sich erst kürzlich wieder gezeigt:
Die auf eine Jahrzehnte lange Tradition zurück reichende Fachzeitschrift Sonderpädagogik hat ihr Erscheinen aus ökonomischen Gründen eingestellt, was wir sehr bedauern. Ein solches Schicksal ist der Heilpädagogischen Forschung erspart geblieben, obwohl uns letztlich – wie ich an dieser Stelle zu erkennen gab – die Humanwissenschaftliche Fakultät der Universität Potsdam das Verbleiben als Universitätsprojekt unmöglich gemacht und damit die Existenzgrundlage dieser Zeitschrift in Frage gestellt hat.
Nun ist es gelungen, einen anderen Träger für die Heilpädagogische Forschung zu finden. Es handelt sich um die Ev. Johannesstift Behindertenhilfe gGmbh Berlin, eine Tochtergesellschaft des traditionsreichen Ev. Johannesstifts in Berlin-Spandau. Unter dem Signum der Behindertenhilfe wird die Heilpädagogische Forschung also weiter geführt. Herausgeberschaft und Redaktionsbeirat sind dem neuen Träger dafür sehr zu Dank verpflichtet. Sie, liebe Leserschaft, werden den Wechsel der Trägerschaft zunächst kaum bemerken, lediglich der Absender der Rechnungen wird ab jetzt die Behindertenhilfe sein.
Wir wollen den Wechsel jedoch zum Anlass nehmen, eine konzeptionelle Änderung vorzunehmen: Von der nächsten Ausgabe an werden wir eine neue Kategorie aufnehmen: Aus der Praxis der Behindertenhilfe. Hier sollen Beiträge erscheinen, die Innovationen in der Arbeit vor Ort beschreiben, und wir laden Praktiker, die mit Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Menschen mit Behinderungen arbeiten, herzlich ein, dazu etwas beizutragen.
Lassen Sie mich diese Mitteilung in eigener Sache mit einem Dank an diejenigen abschließen, die jahrelang als abonnierte Leserschaft zu uns gehören: Sie sind es letztendlich, die die Heilpädagogische Forschung – allen Marktgesetzen zum Trotz – am Leben zu erhalten ermöglicht haben. Und natürlich sind wir für jedes Neuabonnement dankbar.
In dieser Ausgabe finden Sie zwei umfängliche Forschungsarbeiten sowie zwei interessante Berichte.
Jan Weissers Beitrag greift ein dunkles Kapitel der Geschichte der Sonderpädagogik auf und untersucht die Konstruktion sonderpädagogischen Wissens in der nationalsozialistischen Zeitschrift Die deutsche Sonderschule (1934 –1943). Der Beitrag behandelt die Mechanismen
sonderpädagogischer Wirklichkeitskonstruktion und macht deutlich, wie politisches Herrschaftswissen seinerzeit die Fachdiskussionen dominiert hat. –
Die umfängliche Arbeit von Stefanie Heber und Jürgen Cholewa wendet sich der Entwicklungsdysgraphie von Drittklässlern zu. In der multiplen Einzelfallstudie mit sechs schwer dysgraphischen Drittklässlern wird der Frage nachgegangen, ob sublexikalische
Schreibstrategien bei diesen Kindern effektiver trainierbar sind, wenn zunächst an der phonologisch-orthographischen Zuordnung von Silbenkonstituenten (Onsets und Reime) gearbeitet und erst danach ein Training auf der Phonem/Graphem-Ebene angeschlossen
wird. Die bei den Einzelkindern erzielten uneinheitlichen Ergebnisse lassen erkennen, dass unterschiedliche kognitive Mechanismen eine Rolle spielen könnten, denen weiter nachzugehen ist. –
Anschließend berichten Hannelore Späth und Barbara Gasteiger-Klicpera auf dem Hintergrund des transaktionalen Stressmodells von Lazarus und Folkmann (1984) über situationsspezifische Copingstrategien bei Kindern und Jugendlichen mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten. Offensichtlich spielen affektive Variablen beim Training eine weit größere Rolle als bisher vermutet.
Der abschließende Bericht hat eine Zusammenstellung der Beiträge des Herbsttreffens der Arbeitsgruppe für Empirische Sonderpädagogische Forschung (AESF) zum Inhalt, das vom 14. bis 15. November 2008 an der Universität Zürich stattgefunden hat.
Diese erste 2009-er Ausgabe der Heilpädagogischen Forschung wird – wie üblich – mit den Kategorien Rezensionen und Ankündigungen abgeschlossen.
Ich danke Ihnen für Ihr wohlwollendes Leseinteresse und verbleibe weiterhin
als Ihr Herausgeber
Herbert Goetze |