Heilpädagogische Forschung
 
Editorial von Herbert Goetze aus: Heilpädagogische Forschung Nr. 4 2007

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Liebe Leserin und lieber Leser der Heilpädagogischen Forschung,

ich weiß nicht, ob Ihnen das schon einmal aufgefallen ist: Empirische sonderpädagogische Forschung wird vornehmlich an Instituten für Psychologie betrieben, allerdings nur an wenigen, denn die derzeit vorherrschende Methodologie der Psychologie schreibt den Untersuchern – fast diktatorisch – Kontrollgruppenexperimente mit größeren Versuchspersonenzahlen vor, und jene Kollegen bekommen das schmerzhaft zu spüren, die bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sonderpädagogisch relevante Anträge für die Förderung von Interventionsstudien einreichen. Es will fast scheinen, als hätte die deutsche Psychologie (und die entsprechend ausgewählten Gutachter der DFG) die kontrollierte, experimentelle Einzelfallforschung noch gar nicht entdeckt!

In dieser Ausgabe finden Sie jedoch mit der Arbeit aus dem Hamburger Psychologischen Institut eine rühmliche Ausnahme vor: Paul Probst, Wiebke Drachenberg, Aida Knabe und Jakob Tetens haben mit Mitteln der kontrollierten Einzelfallforschung ein Förderprogramm für Personen mit Autismus-Spektrum-Störungen entwickelt und evaluiert. Die ‚Stichprobe‘ bestand aus zwei Jungen im Alter von elf und zwölf Jahren und einer 25-jährigen Frau mit der Diagnose „Frühkindlicher Autismus” in Verbindung mit leichter oder mittelgradiger In- telligenzminderung. Auch mit wenigen Probanden lassen sich also wichtige sonderpädagogische Erkenntnisse gewinnen.

Wir freuen uns, Ihnen an zweiter Stelle einen Beitrag zur Retest-Reliabilität des weit verbreiteten Mottier-Tests von Christiane Kiese-Himmel und Marcus Reeh vorstellen zu können, der sich inhaltlich an eine Arbeit aus unserer letzten Ausgabe anschließt, in der es um die Unterscheidbarkeit eines oberflächendysgraphischen und eines phonologisch dysgraphischen Subtyps ging. Ziel dieser Studie war es nun, festzustellen, ob sich die Ergebnisse der phonologischen Gedächtnisspanne für Nicht-Wörter zwischen Erst- und Wiederholungstest unterscheiden und wie stabil die Messungen sind.

In einem weiteren Beitrag von Heinz Krombholz wird ein Literaturüberblick über motorische Entwicklungsstörungen gewährt. Der Autor stellt in seinem Übersichtsbeitrag das klinische Erscheinungsbild dieser Störungen, Prävalenzraten, Zusammenhänge mit anderen Störungen, vorliegende Erklärungsmodelle, Diagnoseverfahren und Behandlungsmöglichkeiten vor.

Schließlich möchten wir Ihnen einen ungewöhnlichen Beitrag aus eigenem Hause unter dem provokanten Titel „Schüler therapieren Schüler?” vorstellen; in einem Spieltutorenprogramm haben Abschlussklässler einer Allgemeinen Förderschule mit Eingangsschülern derselben Schule nach den Vorgaben des klientenzentrierten Rogers-Ansatzes gespielt. Sie werden vermutlich darüber verwundert sein, welche Effekte erreicht worden sind. Versäumen Sie nicht, auch die Fußnote zur Kenntnis zu nehmen, die die DFG in einem besonderen Licht erscheinen lässt.

Unsere Ausgabe wird mit zwei Berichten abgeschlossen; im ersten werden Ihnen die Referatszusammenfassungen der letzten AESF-Tagung in Zürich zur Kenntnis gebracht. Der zweite Bericht betrifft die Kölner Erklärung der ständigen Konferenz der Lehrenden im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung in deutschsprachigen Ländern, mit welcher auf Benachteiligungen einzelner sonder- und heilpädagogischer Teildisziplinen – wie der Körperbehindertenpädagogik – auf dem Hintergrund der derzeit stattfindenden Strukturveränderungen aufmerksam gemacht und Abhilfe gefordert wird.

Ihr Herbert Goetze

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aktualisiert am 05.01.2008